Trauerrede von Claudia Kokoschka, Leiterin des Kulturbüros der Stadt Dortmund, gehalten am 2.2. auf der Kundgebung in Dortmund
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
auch ich bin eine von vielen Stimmen im Kulturleben der Stadt, die sich nun Sorgen um die Medien- und Meinungsvielfalt in Dortmund machen. Dortmund ist immerhin die achtgrößte Stadt der Bundesrepublik mit über 580.000 Einwohnern.
Im Jahr 2010 sind wir mit den anderen Städten der Region angetreten, Kulturhauptstadt Europas zu sein. Viele Menschen haben sich engagiert, es gab große zentrale Veranstaltungen (z.B. Stillleben B1 oder Schachtzeichen) und unzählige Projekte in der Region und der ganzen Stadt. Die Aufrufe, sich zu beteiligen, die Berichte über das ganze Spektrum der Veranstaltungen wurden von den Dortmunder Zeitungen, so auch der Westfälischen Rundschau, begleitet. Das hat die Künstler unterstützt, die Besucher informiert, das Profil der Region nach außen getragen und zu lebhaften Debatten über die Ereignisse beigetragen.
Jetzt, drei Jahre später, erscheint die Westfälische Rundschau als Zeitung ohne Redakteure, eine völlig neue Erfindung, auf die wir gern verzichtet hätten, und das erst recht bei einem Traditionsblatt, das nach dem 2. Weltkrieg 1946 gestartet ist und den Aufbau der Bundesrepublik ebenso wie gesellschaftliches und politisches Leben in Dortmund jahrzehntelang begleitet hat. Und übrigens auch für viele Dortmunderinnen und Dortmunder so eine Art „publizistische Heimat“ war. Ich erinnere an markante Ereignisse wie den Stahlarbeiterstreik auf der B1, den wir mit Dortmunder Künstler/innen gemeinsam begleitet haben, oder die Fußballweltmeisterschaft oder eben die Kulturhauptstadt Europas. All diese Ereignisse haben unsere Zeitungen, so auch die Westfälische Rundschau, kommentiert und begleitet. Nun haben wir eine Stimme weniger!
120 Redakteure und Redaktionsmitarbeiter/innen sowie ihre Familien wurden von der bitteren Nachricht überrascht, sich plötzlich nach einer neuen Stelle umsehen zu müssen. Ihnen allen gilt unser Dank, unsere Solidarität und Unterstützung. Und man fragt sich, ob es nicht doch mehr Kreativität beim Suchen anderer Lösungen gegeben haben könnte!
In WAZ und WR erfuhr der Leser allerdings wenig über die Ereignisse, da musste man sich um andere bundesweite Medien bemühen (so lange es sie noch gibt, denn die Frankfurter Rundschau hat es u.a. ja auch schon erwischt). Immer weniger Journalisten in der Stadt bedeutet immer weniger Meinungsvielfalt. Kulturelle Vielfalt braucht aber Medien- und Meinungsvielfalt! Und Journalisten und Fotografen, die vor Ort das Geschehen verfolgen und kommentieren!
Es ist doch klar, dass nun auch quantitativ weniger berichtet werden kann, dass Kulturveranstalter und Künstler damit ihr Publikum noch schlechter erreichen können. Das trifft selten diejenigen Veranstalter, die über große Werbeetats verfügen, sondern eher die Kleinen und die Vielfalt, z.B. die vielen engagierten Menschen in den Stadtbezirken, die etwas bewegen wollen. Kulturarbeit wird überwiegend mit Steuergeldern gemacht: und die Bürger wollen wissen, wofür! Bei immer weniger Journalisten wird das schwieriger!
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass sich meine Kritik nicht an die Redakteure und Mitarbeiter der Ruhrnachrichten richtet, sondern an Verlagsleitungen, die sich gerade den Markt aufteilen und hier gemeinsam eine Rest-Rundschau als „Mogelpackung“ installieren, bis es auch der letzte Abonnent gemerkt hat und Konsequenzen zieht.
Natürlich hat sich die Medienlandschaft stark verändert, wir können uns Informationen nicht nur aus der Zeitung, sondern aus vielen Quellen wie TV, Rundfunk, Internet besorgen. Dennoch: Ich bin ein bekennender „Zeitungs-Junkie“ und mag morgens nicht mein Brötchen ins Laptop krümeln! Vielleicht ist das eine Generationenfrage, aber für uns Kulturveranstalter ist es derzeit noch ein Erfahrungswert, dass ein Teil des Publikums nicht über Internetzugänge verfügt und seine Informationen hauptsächlich aus der Presse bezieht.
Streit- und Diskussionskultur ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil von Kultur, und darüber hinaus ein lebendiges Element von Demokratie und Meinungsbildung, um die uns andere Länder ja (noch) beneiden! Unseren Solidaritätsaufruf für die Westfälische Rundschau haben daher viele Kulturveranstalter und Kunstschaffende unterzeichnet, z.B. die Kulturbetriebe Dortmund mit dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte / der Stadt- und Landesbibliothek / dem Stadtarchiv Dortmund / der Musikschule / dem Fritz-Hüser-Institut für Literatur und Kultur der Arbeitswelt / dem Museum Ostwall / dem Dietrich-Keuning-Haus sowie dem Kulturbüro.
Zum Beispiel das Internationale FrauenFilmFestival Dortmund/Köln, das Kino im U, der Hartware MedienKunstVerein, die freien Dortmunder Kulturzentren, u.a. das Theater Fletch-Bizzel, der Jazzclub domicil, das Künstlerhaus Dortmund, das Theater im Depot sowie der Verein für Literatur/Dortmund, artscenico (freies Theater) und zahlreiche Künstler/innen und Kulturschaffende, u.a. Prof. Dr. Roland Günter, Vorsitzender des Deutschen Werkbund/Oberhausen.
Alles Gute für die Zukunft der Kolleginnen und Kollegen der Rundschau!